Im Jahr 1921 wurde der Kunstmaler Hugo Gugg (1878–1956), der der Weimarer Malerschule zugerechnet wird, als Nachfolger von Theodor Hagen als Professor für Landschaftsmalerei an die Hochschule für bildende Künste in Weimar berufen, wo er bis 1945 lehrte. Von Saaleck kommend, zog er mit seiner Ehefrau Milda und sechs Kindern nach Oberweimar in ein altes Bauernhaus in der Merketalstraße 1, welches noch heute erhalten ist.
Hugo Gugg gehörte neben Alexander Olbricht und Carl Alexander Brendel zu den drei neu berufenen Professoren, die sich im Zuge der Trennung der „Hochschule für bildende Künste“ vom „Staatlichen Bauhaus“ zusammen mit den alten Lehrern der ehemaligen Großherzoglichen Kunstakademie Max Thedy, Walther Klemm und Richard Engelmann, in Abgrenzung zum Bauhaus, die Pflege und Lehre der traditionellen Kunst zur Aufgabe machten.
Es war das Faszinierende an Gugg, dass er trotz Volksschulbildung und Lehre als Dekorationsmaler zu solch umfangreicher humanistischer Bildung und Weisheit gefunden hatte. Er war bestrebt die Tradition der von Schultze-Naumburg geleiteten „Saalecker Werkstätten GmbH“, seinem bisherigen Arbeitsplatz, zu wahren.
Gugg war Autodidakt. Seine Lehr- und Gesellen-zeit verbrachte er bei dem akademischen Dekorationsmaler Gollmar&Franke in Leipzig. Nebenher besuchte er Abendkurse an der Akademie für graphische Künste und Buchgewerbe Leipzig und konnte dort als begabter Stipendiat ein Semester studieren. Gleichzeitig nahm er privaten Zeichen-unterricht bei dem bekannten Tiermaler Fedor Flinzer. 1901 stellte Hugo Gugg im Leipziger Kunstverein sieben Landschaftsbilder aus, die auf Schultze-Naumburg großen Eindruck machten und ihn veranlassten, dem mittellosen Gugg für mehrere Jahre ein Stipendium zu geben – erst in Saaleck, dann Aufenthalt in Berlin, dann wieder in Saaleck, wo er Gugg seine Malklasse übergab, weil er sich mehr der Architektur zuwenden wollte.
Auf Grund seiner soliden handwerklichen Ausbildung sind seine Arbeiten, abgesehen von seinen Frühwerken, altmeisterlich im Handwerk zu nennen. Mit dem Kunsttheoretiker Conrad Fiedler vertrat er die Meinung, dass Kunst kein Luxus sei. In seinen Worten ist sie „wie Wissenschaft und Religion dazu da, unser Weltbild zu erweitern“.
Professor Engelmann fragte ihn einmal, wie er es denn mache, dass seine Schüler so an ihm hingen? Er antwortete mit den Worten aus dem 2. Teil des „Faust“: „Das ist gar leicht, es muss von Herzen gehn.“
Das ist es, was den Zauber seiner Persönlichkeit auf alle, die das Glück haben, ihm zu begegnen, ausmacht: Es spricht das Herz; man spürt: Das ist in seiner Einfachkeit, Offenheit und Bedürfnislosigkeit ein ganzer Mensch!
Bei allen Unterschieden in der Auffassung konnte er so auch vom Bauhaus berichten, dass er mit den Meistern Feininger, Klee, Kandinsky, Muche, Schlemmer und Moholy-Nagy „gut dran“ ist.
„Aber alle Kenntnis dieser Modernisten bringt mich nur stärker zu mir selbst.“ Und bei der Betrachtung von Klee und Feininger im Museum zwischen den alten Meistern kann er urteilen: „In der dekorativen Wirkung sehr gut, und auch die Reinheit der Gesinnung, aus der diese Bilder entstanden sind, entspricht den alten Werken. Aber es bleibt doch dekorativ, es bleibt Schmuck, und zuletzt kommen mir die Modernen ganz dünn und leer vor.“
Für Gugg hatte das Bauhaus den Status einer Kunstgewerbeschule und war als solche willkommene Ausbildungsstätte für seine Töchter Hildegard und Marianne (Weberei), während in den Folgeeinrichtungen Tochter Esther (Weberei), Sohn Horand (Möbel-schreinerei) und Sohn Camill (Malerei) studierten.
Gugg war ursprünglich vom Jugendstil geprägt, wovon z.B. der sechsteilige Figurenzyklus in Öltempera für ein Musikzimmer seines Mäzens Justizrat Paul Axhausen zeugt, der 1912 entstand (3 Tafeln davon befinden sich im Stadtmuseum Weimar). Aber um 1919 malte er auch einige neoimpressionistische, starkfarbige Landschaften. Die Landschaftsbilder der zwanziger Jahre dagegen sind altmeisterlich fein gemalt, mehr idealisierend, verlieren sich nicht in störenden Details. In dieser Malweise sind auch die Landschaften der Hohenstauferburgen Friedrich II. in Süditalien gehalten. Seine 1939 dort gefertigten großformatigen Sepiazeichnungen sind besonders ausdrucksstark und begehrte Sammlerstücke.
Gugg war eine asketische, gefühlvolle Malernatur, die sich gesellschaftlichen Strömungen fernhielt. Seine konventionelle Art zu malen kam jedoch der von den Nationalsozialisten bevorzugten Kunstrichtung entgegen.
Schultze-Naumburg, der 1930 die Leitung der Weimarer Kunsthochschule übernahm, drängte Gugg in die Partei einzutreten. Ungern kam er diesem Ansinnen nach, doch wollte er seinen früheren Gönner und Förderer nicht enttäuschen. Viele noch erhaltene Brieftexte zeugen davon. Gugg war seinem ganzen Wesen nach Künstler und sah sich in die verschiedenen Religionen der Welt eingebettet. Gauleiter Fritz Sauckel verschaffte ihm 1938 den Auftrag zur künstlerischen Ausgestaltung des von Hermann Giesler entworfenen und 1939 in Weimar neu eröffneten Traditionsgasthauses „Haus Elephant“. Gugg schuf dafür großformatige, die Jahreszeiten symbolisierende Landschaftsbilder mit Thüringer Motiven.
Zu Guggs Freundeskreis gehörten die unterschiedlichsten Menschen, auch Juden. Das in Pergament handgebundene Gästebuch des Hauses Gugg in der Merketalstrasse 1 in Oberweimar gäbe ein beredtes Zeugnis davon. Dieses aufschlussreiche Gästebuch ist leider seit 1964 verschollen und die Nachfahren gäben viel darum, es zurück zu erwerben und sind für jeden Hinweis dankbar.
Hugo Gugg war in erster Linie Landschaftsmaler, doch ebenso ein begnadeter Porträtist. Die unterschied-lichsten Menschen saßen vor seiner Staffelei, z.B. Carl Georg Brandis für die Jenaer Professorengalerie, der Reichsgerichtspräsident Freiherr von Seckendorff, der Pianist Josef Pembaur, sein ehemaliger Lehrherr Oswald Franke, sein Mäzen Justizrat Paul Axhausen u.v.a.
Besonders ausdrucksstark sind die Bildnisse seiner Enkelkinder.
Er malte vorwiegend Motive aus der Thüringer Landschaft, wobei er sich seine jeweils nächste Umgebung zum Vorbild nahm. So sind der Weimarer Park, die Belvedere Allee, Ehringsdorf und die unmittelbare Umgebung von Oberweimar oder – in früherer Zeit – die Saale mit ihren Burgen auf unzähligen Studienblättern, Briefköpfen und in Öltemperabildern wiedergegeben. Selbst für die Ausführung seiner italienischen Landschaften machte er Studien im nahen Ehringsdorfer Steinbruch. Seine Italiensehnsucht brachte ihn und seine Schülerschaft, die den bescheidenen „Meister“ sehr schätzte, immer wieder in den Süden, so in den Jahren 1904, 1924, 1925, 1932, 1933, 1935, 1938 und 1939. 1924 begleitete ihn sein Meisterschüler und später bekannte Lichtbildner und lebenslanger Freund, Walter Hege, der Gugg auch den Umgang mit der Plattenkamera und später mit der Rollfilmkamera vermittelte. Guggs Sohn Camill lernte 1933 in Sorrento seine spätere Frau kennen. Camill selber studierte Malerei beim Vater und bei Berlepsch Ornithologie und ging bei Hege ein und aus. Er wurde ein begnadeter Tierphotograph und ein talentierter Tier und Pflanzenmaler.
Guggs ältester Sohn Walter, geb. 1900, fiel 1918 in Frankreich und sein jüngster Sohn Horand, geb. 1912, starb 1948 an Folgen des Krieges.
Als Restaurator gebraucht wurde Gugg dann 1949 zum Goethejahr. Unter anderem beauftragte man ihn, den beschädigten „Musentanz“ am Römischen Haus in „Fresco“ neu zu malen. Der sieben Meter lange und über einen Meter hohe Fries zeigt etwa zwanzig tanzende Frauengestalten. Im Wittumspalais besserte er vier der von Oeser gemalten Decken aus und im zerstörten Goethehaus erneuerte er vier Supraporten und restaurierte das große Deckenbild der „Aurora“ im Treppenhaus. Auch malte der nun Einundsiebzigjährige die Kuppel in der russischen Kapelle der Fürstengruft neu aus und fügte den vierundzwanzig desolaten Engelsköpfen einen großen Christuskopf nach dem Vorbild des Turiner Grabtuches hinzu.
Eine besondere Kunstform – eine Synthese in Bild und Wort – sind Guggs unzählige Briefe mit Briefkopf-zeichnungen, die er nahezu jedem seiner Briefe voranstellte und deren Zahl in die Tausende geht. Aus diesen kleinen Kostbarkeiten blickt uns das ganze Wesen und die Seele dieses Menschen an, der ständig die Sehnsucht nach Frieden, Stille, Einfachkeit und Weisheit in sich trug. Seine Brieftexte zeigen gelebtes Menschentum, geschrieben in feiner Schrift mit Sepiatinte.
„Kleine Skizzen die eigentlich große Bilder sind“, nannte er sie selbst, und in einem Brief vom 24. Dezember 1945 an seine Tochter Esther heißt es: „...ich kann auch einem großem Bilde nicht mehr – kaum soviel – geben. Es täte mir leid, wenn meine Briefe verloren gingen...“
Eine kleine Auswahl enthält das Büchlein „Nur in der Erinnerung ist absolute Ruhe“, Briefköpfe und Briefauszüge von Hugo Gugg, zusammengestellt von Guggschülern, Christians Verlag, Hamburg 1985 (vergriffen).
Bis zu seinem Tod im Jahr 1956 malte er unermüdlich. Seine unzähligen Bilder sind in Privatbesitz weit verstreut. Hugo Gugg liegt zusammen mit seiner Frau Milda auf dem Oberweimarer Friedhof. Die Grabstätte ist noch heute erhalten.
„Er malte das Abendrot einer untergehenden Zeit.“
Zitat des ehemaligen Guggschülers Gottfried Legler, Lörrach
Man beachte auch den aktuellen Texteintrag im Allgemeinen Künstlerlexikon (AKL)/
(Download als PDF).
Mit freundlicher Genehmigung des De Gruyter Verlages Berlin.